Melde mich zurück aus meiner Schweigephase

Melde mich zurück aus meiner Schweigephase

Hatte lange Zeit nichts lesenswertes zu schreiben. Eigentlich hat sich auch jetzt daran nichts geändert. Aber mir war mal wieder danach. Mal sehen was ich aus dem nicht vorhandenen Erzählstoff machen werde. Ironischerweise ging meine kreative Schreiblust mit der Rückkehr zum „normalen Leben“ zur Neige. Es waren nur noch Gedankenfetzen in meinem Hirn. Nicht möglich sie zusammenzufassen. Der monatelange Lockdown hatte in mir Energien freigesetzt die ich in der gelockerten Zeit nicht mehr zu fassen bekam. Das Leben kehrte zur Arbeit, Freizeit und Reisemöglichkeit zurück. War doch super, sollte es zumindest sein. Die neue Zeit, auch als „in oder zu Corona-Zeiten“ tituliert, ist unser Leben und Arbeiten zu einer schlechten Kopie unseres alten Lebens geworden, ein Hinnehmen der Restriktionen, weil man jetzt nichts besseres bekommt, ein Frohsein, dass es einen noch nicht erwischt hat. Waren wir im Lockdown reduziert auf das sich Fernhalten vom Virus, sind wir jetzt in der Phase das Leben damit zu erlernen. Fast alles ist davon überschattet und diktiert. Es erstaunt mich immer wieder wie anpassungs- und wandlungsfähig der Mensch ist. Die Corona-Gefahr schwebt über unserem Leben und wir haben diesen Gedanken verinnerlicht, ihn ins Leben mit eingebaut. Unser Überlebensinstinkt scheint alles zu dominieren, komme was wolle. Die Hoffnung die wir anfänglich hatten, dass es zu einem kollektiven Umdenken, einem gemeinsamen weltweiten Zusammengehörigkeitsgefühl führt, hat sich leider nicht bewahrheitet. Es hat uns nicht gleich gemacht. Es hat hat uns nicht geeint, nicht reduziert auf Liebe und Toleranz. Vielleicht kamen anfänglich diese Gefühle auf, weil wir uns alle in den Kern zurückziehen mussten. Plötzlich waren Zeit und Familie vereinbar. Distanzen waren nur für das Nötigste zu überwinden. Viel Zeit für einen selbst, viel Zeit für die Gedanken des Weltgeschehens. Für eine kurze Zeit waren wir fast alle gleich. Aber was ist daraus geworden? Es hat uns einfach in neue Lager geteilt. Jetzt ist die neue Challenge diese Herausforderung wirtschaftlich besser zu überleben. Berufe die vorher cool waren sind plötzlich unsicher und anfällig geworden. Klassiker, wie das Beamtentum, der Staatsdienst, der Öffentliche Dienst sind angesagt, geradezu sexy. Junge Menschen finden den engen Beamtenrock inzwischen ziemlich gut. Wird bestimmt irgendwann zu eng und kneift auch sicherlich an der einen oder anderen Stelle, aber wie cool ist es nicht entlassen werden zu können, der Staat einfach weiter dein Gehalt zahlt, man nicht von einem Tag auf den anderen vor der blanken Existenznot steht! Wie so vieles im Leben scheinen auch Berufe ihre Renaissance zu haben. Und jetzt ist die Zeit für den Staatsdienst. Ich für meinen Teil hätte auch jetzt nicht den Staatsdienst erwählt. Bin einfach ein unverbesserlicher unbelehrbarer Freigeist. Hätte täglich Probleme mit den Anordnungen, Verordnungen, Vorschriften…. bekommen. Wäre wöchentlich zum Amtsleiter zitiert worden, warum ich eigene Wege gehe, Entscheidungen treffe, nicht einfach folgen kann. Nicht dass ich die reinste Anarchie wäre, bin schon ganz konform mit meiner Umwelt, aber ordne mich nicht gerne unter, habe Ideen. 

Wenn mir natürlich die Möglichkeit geboten würde ganz oben im Staatsdienst einzusteigen, dann würde ich es mir überlegen. Die Beamtenleiter zu erklimmen hätte ich nicht geschafft, hätte mich vorher selbst entlassen. 😉 So bleibt mir genügend Zeit über die Beamtenwitze zu lachen und meine Vorurteile zu pflegen. Aber Respekt vor denen die diesen Weg gehen möchten und unseren Staat erhalten! 🙏🏻

Verpasste Gelegenheiten?

Diese Frage drängte sich mir auf, als ich mal wieder so ein schönes Bild sah, wie wir sie alle sicherlich von Windows auf unsere Bildschirme gezaubert bekommen.  Dieses Mal war es eine Großstadt mit schöner Skyline und einem riesigen rechteckigen Park. Selbst mir als nicht New York Kennerin war es klar! Es muss der Central Park sein. Ich hatte ihn so aus der Vogelperspektive nicht gesehen. Ein grünes Rechteck im gerasterten New York. Eine schöne Idee. Sah wirklich gigantisch aus. Daraufhin sah ich mir New York mal über Google Maps genauer an. Mindestens einmal pro Frühjahr oder Sommer und zu Weihnachten wollte ich in letzten Jahren dort hin. Das mit Weihnachten ist mir klar: Ich bin ein Opfer der Werbung! Aus irgendwelchen Gründen hat es sich einfach nie ergeben. „Es wird schon die Zeit kommen und dann komme ich noch früh genug da hin“, so meine naive Vorstellung. Wer hätte je sich eine Pandemie vorstellen können die alles auf den Kopf stellt, alles zum Stillstand bringt, Grenzen so dicht macht? Es lehrt uns alle, dass wir Träume, Wünsche, unsere Ideen nicht immer aufschieben sollten. Sofern es uns möglich ist, versucht es zu realisieren, lasst es zumindest nicht an unserer Trägheit scheitern! Die Zeit arbeitet in dieser Hinsicht einfach gegen uns. Bei solch verpassten Gelegenheiten geistert mir immer ein Zitat von Elke Heidenreich im Kopf herum: 

Zu lange aufgeschobene Wünsche brennen nicht mehr, zu tief weggepackte Träume sind von den Motten zerfressen. 
Elke Heidenreich

So sieht es aus: Von Motten zerfressene Träume! Davon habe ich glücklicherweise noch nicht so viele. Kann sein, dass es daran liegt, dass ich die meisten verwirklichen oder zumindest in Teilen ansehen konnte. Was natürlich der Idealfall wäre. Es kann aber auch sein, dass ich meine Träume auch wieder vergessen, sie einfach der Situation angepasst habe, ausradiert da eh nicht machbar. Auch hier könnte es sein, dass die Zeit wieder für mich gearbeitet hat! Wer kann das so genau sagen? 

Zeit, Ort, Gelegenheiten verbunden mit den richtigen Adjektiven, wie richtig, schön, fantastisch sind ein Fundus an glücklichen Erinnerungen. Setzt man falsch, vertan, verpasst davor macht es einen nur noch traurig, nachdenklich. Der positive Zustand könnte in der Vergangenheit, aber auch in der Zukunft liegen, der negative liegt definitiv unwiederbringlich in der Vergangenheit. Es sind Aussagen des realen, erlebten Erfahrungswertes. Wir sollten alles daran setzen unsere Lebensbilanz mit den positiven Erinnerungen zu füllen. Hört sich leider wirklich wie eine lapidare Polemik von ewig positiven Gutmenschen an. Sofern möglich, sollte bei negativer Richtung des Lebens, der Gedanken die innere Navigation sich einschalten und: „Wenn möglich, bitte wenden!“ sagen. Klappt so oft nicht! Kann man es trainieren? Es ist auch so einfach sich in den widrigen Dingen sich zu verlieren. Diese Lebensform verbraucht einfach viel weniger Energie. Es reicht sich zurücklehnend über alles zu meckern, zu kritisieren, sich über das Verhalten der anderen urteilend auszulassen. Die positivere Seite erfordert viel viel mehr Energie. Alleine zu tolerieren, nicht zu urteilen kostet viel Verstand und Wohlwollen. Auf andere zugehen, helfen, machen, gestalten sind energetisch nicht die effektivsten Lebensformen. Sie machen zwar glücklich, geben viel zurück, reflektieren geradezu das Glück der anderen mit dem eigenen, erfordern aber Empathie und positiven Gestaltungswillen. 

Zerstören kann jeder, kann aber auch jeder gestalten, aufbauen bedingungslos gut sein, lieben? 

Sicherlich kamen mir diese Gedanken zu den Träumen, den Wünschen, der Zeit, den verpassten Gelegenheiten auch, weil ich gerade ein Buch von Cecelia Ahern „ Vergiss Mein Nicht“ gelesen habe. Eine Geschichte über verschwundene Menschen, verpasste Zeiten und Gelegenheiten. Erst dachte ich: „Sehr übertrieben, mächtig gewagte Fantasie.“ Sie schreibt aber so fesselnd, so unterhaltsam und die absurde Geschichte macht irgendwie einen Sinn. Wie kommt man auf so eine Geschichte? Bestimmt haben ihr die zahllosen vermissten Socken in der Waschmaschine echt Kopfzerbrechen gemacht! Habe es viel zu schnell gelesen und musste mich nach zwei Tagen wieder verabschieden von dieser schönen absurden Geschichte. 

Wo kommst du eigentlich her?

Wo kommst du eigentlich her? 

Mich hat diese Frage nie wirklich gestört. Das habe ich immer als echtes Interesse an meiner Person abgebucht. Zumindest, wenn mich das  Deutsche fragen. Auch ich selbst möchte oft wissen wo die eine oder andere interessante Person herkommt.

Bei meinen türkischen Landsleuten läuft das in eine andere Richtung. Hier wird versucht Gemeinsamkeiten zu finden. Es gleicht schon fast einer Rasterfahndung. Die Leute von hier sind so und so, die Leute von da sind so. Fast jede Region hat so ihre tiefverwurzelten Eigenheiten, die ein interessierter Türke auch geklärt und bestätigt haben muss. Deshalb habe ich diese Frage mal für mich ganz detailliert durchgedacht. 

Wo komme ich eigentlich her? Ich gehöre zu den Menschen, die eine wirklich kleine Keimzelle der Herkunft aufweisen können. Zwei Dörfer, eines davon so winzig, dass es auch als Dorf nicht herhalten kann, gelegen auf der Anatolischen Hochebene in der Provinz Sivas. Ein klimatisch anstrengender Ort. Super trockene heiße Tage und extrem Kalte Nächte und das im Sommer! Als jungendliche Touristin hatte ich mir das als Wüstenklima erklärt. Aber es war ja keine Wüste. Getreidefelder, Gärten, große Weideflächen für die Schaf- und Rinderherden mit einem fast unendlichen Horizont. Beeindruckende Hirtenhunde, die die Kontrolle über diese Herden hatten und denen man am liebsten nur aus sicherer Distanz zusah. Diese Hunde waren Fluch und Segen zugleich. Sie haben sich meinen lebenslangen Respekt erworben: Nie alleine das Haus verlassen, solange die Hunde einen noch nicht akzeptiert hatten, schon gar nicht im Dunkeln. Sich auf den Bauch legen, falls man doch mal alle Ratschläge vergessen hatte und abends alleine auf den Dorfplatz ging! Diese nützlichen Mistviecher! Zum Glück konnte man sie mit Nahrung freundlich stimmen. Ein Stück Brot reichte oft aus. Genügsam waren sie, muss man ihnen lassen. 

Erst in dieser Region habe ich den Begriff Horizont erfassen können. Unsere Anreise war immer von Istanbul mit dem Bus über sich wandelnde Landschaften. Meistens begann die Reise abends um 20:00 Uhr, damit man die meiste Zeit der 12 Stunden schlafend verbringen konnte, gestört von den Zwangspausen, die alle zwei Stunden sein mussten. Immer wieder zweckmäßig gestaltete Busbahnhöfe, mit regionalen Lebensmitteln, unnützen Souvenirs und viel Tee! Diese kleinen schönen Teegläser gehören in die türkische Kultur, aber für mich auch auf diese Busbahnhöfe. Kleine Tee-Jungen die mit großen Tabletts, beladen mit Teegläsern durch die Tischreihen laufen, oder mit Blechen voller Simits für die Reisenden. Egal wann diese Busse ankamen, morgens oder mitten in der Nacht, diese Kinder waren immer wach und aktiv. Eine meiner ersten Beobachtungen von Kinderarbeit.

Diese unendlichen Nächte der Bussfahrten vergingen wider Erwarten immer wieder. Bei Morgengrauen waren wir meist kurz hinter Ankara und Anatolien breitete seinen ganzen Charme aus. Weit und breit keine Menschenseele. Am Horizont ging langsam die Sonne auf. Wir fuhren ja immer genau gen Osten. Wenn ich mir heute Landschaften vorstelle, dann steht dieser Teil Anatoliens für Weite, eine Landschaft mit einer tiefgründigen traurigen Seele. Meistens lief in diesen frühen Morgenstunden über das Busentertainment auch schon die traditionelle türkische Musik. Meist mit dem Saz begleitete Volksmusik. Tieftraurig voller Herzschmerz und dazu diese unendliche anatolische Ebene als Kulisse. Pure Heimatromantik auf höchstem Niveau! Das hat sich tief in meine Seele eingebrannt. Jahre später wollte ich mal meinen Kindern diese Landschaft und meine Herkunft nahe bringen, aber es ist mir nur in Ansätzen gelungen. Mit der Perspektive aus dem Auto ohne die Volksmusik, ohne die Strapazen der Nachtreise, mit der Teilanreise per Flugzeug, ist dieses Gefühl nicht nachvollziehbar! Künstlich ist so etwas nicht herbeizuführen. Das muss jahrelang erlebt und gelitten werden! 

Relativ pünktlich um 8 Uhr wurden wir mit unseren Koffern müde und ramponiert von der langen Fahrt am Feldweg, etliche Kilometer von unserem Dorf entfernt, abgesetzt. Wenn wir Glück hatten, wartete schon ein Verwandter auf uns, sonst warteten wir auf den Verwandten. Wir wurden mit dem Traktor und Anhänger, später auch mit Autos abgeholt. Das waren für uns alle spannende und auch anstrengende Reisen. Immer wieder sind wir so zurück in unsere Herkunft angereist, um die Wahrheit, unseren Ursprung, den Stillstand, die Entwicklung und die Herzensgüte dieser unverdorbenen Menschen zu spüren. Aber auch diese Zeit bekam Risse, wurde vergessen. Meine Oma verließ hochbetagt und schweren Herzens diese Landschaften und verlebte ihre letzten Jahre in und um das westliche Istanbul. Das kleine Dorf wurde noch kleiner und vielleicht ist es auch schon fast verschwunden. Es dient, so habe ich gehört, heute einigen  Nostalgikern noch als Sommerresidenz. Für mich war es der Ort weit weg von der Zivilisation. So zumindest in meinen kindlichen Empfindungen. Es gab bis in meine Teenagerjahre keinen Strom bei meiner Oma im Haus. Ein Lehmhaus, an dem ich sogar mal eine Wand repariert habe. Ein beständiger Sommerregen hatte die Wetterseite sehr ramponiert. Die Wand drohte zu zerfallen, sie löste sich einfach auf. Mein angeheirateter Opa hatte einen Lehmschlamm angesetzt um diese Wand zu reparieren. Dass dieser Opa nicht mein leiblicher Opa war, wurde mir erst viele Jahre später bewusst.

Meine Oma war eine ungewohnt schöne Frau und war Zeit ihres Lebens gesegnet mit heiratswilligen Männern. Bis ins hohe Alter war das ihr Schicksal: Männer die sie haben, heiraten wollten. Die arme Frau hatte nach ihrem ersten verstorbenen Mann unbedingt heiraten müssen, um sich diesen Anwärten zu erwehren. Als selbstbestimmte Witwe wäre sie nicht weit gekommen. Sie war auch noch wohlhabend. Eine sehr interessante Kombination für die sicherlich vielen faulen Anwärter. Sie musste vom Markt und unter die nächste Haube. Falsche Zeit, unerbittliches Schicksal! Und erwählt hatte sie einen sehr liebenswürdigen tiefreligiösen Mann, den ich als meinen Opa akzeptierte.  

Und dieser gütige Mann ließ mich an seiner Lehmhausreparatur teilhaben. Ich war hocherfreut diese Wand immer wieder mit der Lehmpampe zu stopfen. Eine meiner schönsten Kindheitserinnerungen! Handarbeit die gebraucht wurde! Es drohte der Zerfall des Hauses! Alles an diesem windschiefen Haus konnte man reparieren, ausbauen ohne gegen eine Bauvorschrift zu verstoßen. Soweit ich mich erinnern kann, hat jeder der einen Hammer in die Hand nehmen konnte an diesem Haus etwas ausgebessert. Es war über Jahre ein kollektives Bauprojekt. Nachts lag man in den dicken Decken unter den riesigen Holzbalken, immer das Geräusch der Holzwürmer im Ohr. Man konnte wirklich hören wie sie sich durch das Holz fraßen, genüsslich darauf kauten und aus den winzigen Löchern das verdaute auf die Schlafenden herunter fallen ließen. Die Mutprobe war nachts auf die Toilette zu gehen. Die war natürlich nicht im Haus, sondern so 30 Meter entfernt durch den Garten, über einen kleinen Bach rüber, rechts abbiegen zwischen Bäumen und Feldrand. Der Weg dort hin war immer kalt, beschienen mit dem spektakulärsten Sternenhimmel, Hundegebell von irgendwoher. Eine romantisch gruselige Atmosphäre. Alles an diesem Plumpsklo war improvisiert. Es knarrte die ganze Konstruktion, es stank, aber es tat seinen Dienst, über so viele Jahre. So wie es war, blieb es bis zuletzt, auch wenn die Abwassergesetze das eigentlich nicht vorsahen. Bei meiner Oma galten diese Gesetze nicht.

Wasser holen war die Tortur des Tages. Der Wasseranschluss ins Haus wurde viel viel später realisiert. So musste es von einer Quelle geholt werden, die so um einen Kilometer oder mehr am anderen Ende des Dorfes lag. 

Immer zwei Holzeimer in die Hand nehmen und mit den anderen Mädchen des Dorfes zur Quelle schlendern. Mitten durch das kleine Dorf unter Beobachtung der wenigen Bewohner. Da wenig los war, war jeder an jedem interessiert. Am Ende der Häuser rechts abbiegen auf einen Feldweg, flankiert von großen Obstgärten, Pappeln und unendlich grünen Büschen mit Beeren und Früchten die ich nicht kannte. Pappeln diese leicht depressiven Bäume, die sich immer hin und her wiegen, immer rascheln, waren das super Bauholz für diese Art der Lehmhäuser. Kerzengerade in den Himmel wachsend. Sie waren auch zum Grenzen markieren hervorragend geeignet. Immer wenn ich mal meine Oma fragte was denn wem gehörte, an dieser unendlichen Weite, dann waren es meist Pappeln an denen wir uns orientieren konnten. Sie zogen in gerader Linie, sich wiegend und wissend, die Grenze zwischen mein und dein ganz ganz weit weg in der Ferne. 

Dieser Weg zwischen Bäumen und Gärten führte zu einer Quelle, die kurz vor einem breiteren Bach lag. Das Wasser plätschere ununterbrochen in einen Wassertrog, der den ganzen Tag auch etlichen Tiere als Wasserquelle diente. Man musste vorher mal von weitem checken welche Tiere gerade da waren. Hunde waren auch tagsüber mit Respekt zu behandeln. Auf dem Weg dort hin hatten wir Spaß, machten Abstecher in die Gärten, pflückten Obst von den Bäumen. Auch da war Vorsicht geboten. Manche wollten einfach ihr Obst mit den wenigen Dorfbewohnern nicht teilen. Menschen bleiben menschlich seltsam, egal in welchem Winkel der Welt! Irgendwann kamen wir auch an der Quelle an. Spritzten uns nass, gingen zum Bach spielen und sicherlich wurden auch mal die Eimer mit Wasser gefüllt. Ich glaube nicht, dass meine Oma je wirklich auf meine Wassereimer gewartet hat.

Abends waren die gegenseitigen Besuche wichtig. Zu meiner Zeit gab es noch eine erwähnenswerte Zahl von Jugendlichen mit denen wir zusammen sitzen konnten bei Tee und Erzählungen. Einige waren zu Besuch, wie ich, die anderen hatten diesen Ort nie verlassen. Diese Abende habe ich als wirklich freundliche Zusammenkünfte in Erinnerung. Viele Jahre später bin ich mit meinem Freund, meinem heutigen Mann noch einmal diese Strecke nach Sivas gefahren. Es musste der Bus sein, wir hätten uns nichts anderes als Studenten leisten können. Er musste auch das verstehen, was ich ihm zu erzählen versuchte. Ende der 80er hatte sich auch noch nicht so viel verändert. Gut es gab inzwischen Strom und Wasser, aber das Plumpsklo war immer noch an seiner Stelle und der Allgemeinzustand des Hauses unverändert. Das Dorf war hocherfreut über einen hübschen blonden jungen Mann! Ich betone: Wir waren nicht verheiratet! Das hat niemanden wirklich gestört, zumindest mir wurde es nicht vorgeworfen. Sie haben ihn herzlich empfangen, ihn bewirtet, waren extrem an ihm interessiert. Die Abende waren voller Gäste in diesem Haus! Alle wollten dabei sein. Übersetzt habe ich nicht alles. Wesentliche Fragen schon, aber mein Mann hat ein sehr sonniges Gemüt und mit seinem Lächeln und seiner unvoreingenommen Art hat er sie erobert! Mehr war nicht nötig! Sie erzählen heute noch von diesem Besuch! 

Manchmal wünsche ich mich zurück in diese ursprüngliche Welt, ohne Moderne, aber nur für einen kurzen Augenblick! Es ist eine schöne und sehr mühsame Welt. Schon längst überholt von Technologie und Zeitgeist. 

Die Erinnerungen der Herkunft habe ich tief in mir verankert, aber mit dem Wegzug meiner Oma ging ein Stück Heimat verloren. Sie hatte diesen Ort für uns erschlossen und sinnvoll gemacht. Und längst ist auch Berlin, Moabit meine Heimat geworden. Hier leben alle die ich liebe und deren Nähe mich erfreut. Dennoch überlege ich oft, ob ich noch einmal woanders eine Heimat aufbauen könnte? Eine leichte Sehnsucht in diese Richtung habe ich schon. Warum das wohl so ist? 

Was würde ich jemandem auf die Frage antworten, wenn ich z.B. in London leben würde, wo ich denn herkomme? Noch verzweigter Antworten, noch weiter ausholen? Es könnte unübersichtlich und bald unbedeutend werden, die Frage der Herkunft, je mehr ich vom Ursprung weg gehe. 

Sollten wir alle mal auf dieser Welt rotieren, um die Grenzen in unseren Hirnen zu sprengen?

Politiker und alte Menschen

Je mehr ich mich mit der einen menschlichen Seite beschäftigen darf, desto mehr verstehe ich die andere Gattung. 

Im Grunde erwerben viele Menschen die entscheidenden Eigenschaften eines Profipolitikers erst im recht betagten Alter. Wobei ich betonen muss, dass ich diese mentale Entwicklung nicht unbedingt schlecht finde. Vielleicht schade, aber nicht wirklich verwerflich. Das vergessen spielt hier eine sehr wichtige Rolle. Im Langzeitgedächtnis ist fast alles enthalten, kann jederzeit abgerufen werden. Meist ist es übertüncht mit Nostalgie und zu positiv gezeichneten Erinnerungen. Aber der Rückblick macht meist sehnsüchtig und glücklich. 

Mir gefällt aber die Variante: „ Was interessiert mich mein Reden von gestern“ besonders gut. 

Diese Nummer zieht meine Mutter gerade täglich mit mir durch. Sie ist durchaus ein wohlwollender und meist positiver Mensch. Oft sind wir uns auch in politischen Dingen einig. Aber am nächsten Tag kann sie ihre Meinung vom Vortag einfach revidieren, wird einfach ihrer Laune angepasst. Mal ist ihr Verstand total rational, mal wird sie durch ihr patriotisches Herz eingeholt und weg ist der Verstand! So muss es auch dem professionellen Politiker gehen. Das rationale Denken wird der Stimmung angepasst und der Umschwung ist ein natürliches Artenverhalten. 

Ein opportunistisches Verhalten, nicht unbedingt der Wählerstimme untergeordnet. Oft kann ich kein Muster in der Entscheidungskette der Politiker erkennen. Sie folgen einfach zu vielen Geistern, die gerade ihre Gedankenwelt durchkreuzen. Und sind sie gänzlich frei von Hirn, dann geht einfach alles! Kommt noch die Komponente Alter hinzu, ist für die irrationalen Handlungen jeder Weg frei! Um ein Land so richtig an die Wand zu fahren gibt es sicherlich viele Wege, aber am wirksamsten ist die Mischung: Hirnfreier Politiker plus leichte Demenz, am besten Altersdemenz! Die eignet sich besonders gut für Staatsoberhäupter. Das ist gar keine seltene Mischung. Schaut euch mal unsere Welt und ihre Staatenlenker an. Dieser Typus ist sehr sehr häufig vertreten. Was bitte haben diese Menschen an dem Begriff Rentenalter nicht verstanden? Man hat vor der Rente gearbeitet und ist dann glücklich in dieses Alter eingetreten, um das Leben jetzt ohne die Gedanken an die Arbeitswelt zu genießen. Hobbys sind erlaubt, kleine Nebenverdienste okay. Aber warum ist dieses Rentenalter bei Politikern nicht existent? Warum ist man mit Ende 70 so perfekt dafür geeignet Millionen von Menschen zu regieren? Was prädestiniert diese Gattung zum regieren? Es sind ja durchaus wirtschaftlich erfolgreiche Menschen darunter, aber können sie ihre Millionen nicht irgendwo am Strand bei Sonne und Meer genießen? So wäre der Traum eines durchschnittlich verantwortungsvollen Rentners. 

Aber diese besonderen Erdenbürger haben anscheinend eine nie enden wollende Mission: Immer im Mittelpunkt stehen und die Welt zugrunde regieren, den Platz nie für andere freimachen. Nur die biologische Lösung setzt den Punkt, sonst keiner! Liebe egoistische nicht altern könnenden Politiker, es gibt und gab wirklich Menschen die ihr nie erreichen werdet, vielleicht so wie sie sein wolltet, aber die meisten von euch sind einfach nur Durchschnitt! Mag sein, dass ihr es zu Wohlstand gebracht habt, aber ihr seid keine Mahatma Gandhis, Neslon Mandelas, Benjamin Franklins, Atatürks, ihr seid piefiger Alltag! Macht endlich den Weg frei für die jungen Politiker! Wo seid ihr jungen Menschen, Politiker? Warum könnt ihr euch nicht erheben und die Welt endlich mal in eure Hände nehmen. Oder wollen wir den Clowns dieser Welt das regieren überlassen? 

Echt schade, dass meine Mutter nicht in die Politik gegangen ist! Sie hätte heute erst so die Blütezeit ihrer Karriere erreicht und hätte vielleicht ein hoch dotiertes wichtiges Amt, in dem sie nach Gusto schalten und walten könnte. Mal mit schlechter Laune, mal mit Witz, aber ganz sicher mit tagesaktueller Meinung, die nichts mit gestern zu tun hätte. 

Einfach eine perfekte Politikerin eben! 

Bist du noch Corona?

Bist du noch Corona? 

Was sind wir denn jetzt? Ausgangsbeschränkungen achtende Bürger, Regelkonforme oder kleine Anarchos? Lohnt es noch sich überhaupt zum Aufstehen zu überwinden? Na klar, sollte man tun, denn wir haben doch schon einen neuen kleinen Alltag! Wir haben uns doch mit dem Corona-Alltag längst arrangiert. Eine unserer großen Eigenschaften, die Gewohnheit ist uns doch schon längst zur Hilfe geeilt! Haben die wenigen Wege, ausgenommen die langen notwendigen Spaziergänge, zur Gewohnheit gemacht, lieben gelernt! Was machen wir nur mit unserem Home Office, wenn es wieder raus gehen muss? Wollen wir das? Was war noch einmal diese Freiheit genau? 

Wir müssen aufpassen, dass wir nicht mutiert aus dieser Krise herausgehen. Ich meine nicht nur die körperlichen kleinen Mutationen! Geistig sind wir schon sehr auf die Akzeptanz von Restriktionen eingestimmt: „Muss sein, machen wir!“ Wo sind denn unsere Grenzen? Wie weit kann man mit uns gehen? 

Jetzt macht man uns mit dem eventuellen Verlust der Sommerferien vertraut! Wohin steuern wir denn als Menschheit? Selbst ich entwickle einen Hang zur Verordnung, habe mich schon dabei ertappt mir weitere Verordnungen zu wünschen. War der Meinung, das würde mir das Leben erleichtern. Dieses „Könnte“, „Dürfte“, „Sollte“ macht mich ganz unsicher. Ich brauche klare Ansagen. Vor einigen Tagen habe ich viele schöne Gesichtsmasken von meiner Schneiderin gekauft. Sie verkauft diese inzwischen doch recht hübschen Teile, wie warme Brötchen. Es sind kleine Accessoires daraus geworden. Schmuck für das Gesicht. Die nächste Insolvenz droht der Kosmetikindustrie. Lippenstifte, Make-Ups werden demnächst nicht mehr gebraucht! Die Gesichtsmaske übernimmt diesen Job. 

Jetzt hängen diese Masken ganz offensichtlich in der Nähe der Haustür, zum Einsatz bereit. Aber tragen will sie noch keiner. Ich selbst auch nicht. Komme mir damit immer noch deplatziert vor. Lobe aber jeden der sie trägt. Da habe ich mir doch endlich diese Verordnung zur Maskenpflicht gewünscht! Dann müssten sie alle tragen und auch mein Sohn, er lehnt sie noch mehr ab als ich. Hiermit hätte der Staat meine Vorsorge wohlwollend zur Kenntnis genommen und meine Investition wäre nicht ganz sinnlos gewesen!

Nur mit diesem Accessoire, wenn gewünscht schön bunt, kommt zum täglichen Ankleiden noch ein weiteres Element hinzu: Welche Maske passt zu welchem Outfit? Eine echte Aufgabe für mich! 

Ich bin definitiv Corona! 

Woran erkennt man das Entwicklungsniveau einer Nation?

Ja woran erkennt man das? Ist es die Regierungsform? Demokratie oder Diktatur? Ist es das Sozialverhalten der Gesellschaft, das Miteinander? Ich entsinne mich einmal über das Entwicklungsniveau einer Gesellschaft und ihr Verhältnis zu den Tieren gelesen zu haben. Je entwickelter, desto mehr erfährt ein Tier an Wertschätzung. Ich weiß nicht mehr welche Tiere gemeint waren, vorrangig vielleicht die Haustiere. 

Eine Szene aus meiner Jugend bekomme ich nicht mehr aus dem Kopf, über die muss ich jedes Mal schmunzeln. 

Wie viele unter uns, habe auch ich meine Eltern frühzeitig und beständig mit dem Wunsch nach Haustieren traktiert. War nicht besonders erfolgreich. Das erste brauchbare Haustier habe ich im Kindergarten durchgesetzt. Eine Katze, jung, so süß, verstarb aber an einer Krankheit. Musste sie nach zwei Tagen zurück geben und wurde nie wieder gesehen. Das Thema war damit erledigt! Es ging mit Vögeln weiter! Eine Vielzahl von sehr zahmen Wellensittichen wurden bei uns gehalten und geliebt. Schlaue Vögel! Wie geht in so einen kleinen Kopf so viel Verstand hinein? Mir wurde mal gesagt, dass sie evolutionär schon lange an ihrem Hirn arbeiten durften. Mancher Mensch muss noch ganz am Anfang der Evolution stehen und darf schon regieren. Das wäre in der Tierwelt nicht möglich! Den Wellensittichen folgte in einer sehr schwachen Widerstandsphase meiner Eltern, sie waren eigentlich schon Großeltern, ein Meerschweinchen! Eigentlich vorgesehen für die Enkelin, landete dann aber doch wieder bei Oma und Opa! Es kam unerwartet eine innige Liebe zwischen diesem Meerschweinchen und meiner Mutter zustande. Etliche Jahre blieb uns dieses Meerschweinchen erhalten. Wenn sie mal verreist war, musste es von meinem Vater versorgt werden. Er war ein sehr tierlieber Mensch, die zu große Ratte behandelte er aber mit Respekt. Gefüttert wurde aus großer Entfernung. Die Salatblätter wurden ihm zugeworfen, wie dem Löwen das Fleisch. Die Kontrollanrufe meiner Mutter waren oft nur wegen Boncuk, so hieß das Meerschweinchen. Sein Wohlbefinden wurde abgefragt, wie es meinem Vater ging war nebensächlich! Mir war diese Liebe gänzlich unverständlich. Zumal ich Meerschweinchen blöd und untreu finde. Wer sie füttert ist mit im Team, hat ihre Aufmerksamkeit und Liebe. Machst du diesen Job mal drei Tage nicht, ist der Liebesentzug sicher!  Könnte es da auch Parallelen zu uns Menschen geben? Ich fürchte ja!  Aber nur grob gesehen, so als Volk. Es werden Menschen in Positionen ertragen, denen sie sozial nicht gewachsen sind, aber sie entscheiden wirtschaftlich so, dass viele davon profitieren und sich die Taschen füllen können und satte Menschen begehren nicht auf. 

Meine Mutter hat nie an der Liebe ihres Boncuks gezweifelt! Sie war sogar der Meinung, dass er ihre Gefühlslagen deuten konnte. War sie traurig, war er traurig. Immer im Einklang! Nach vielen Jahren wurde Boncuk mal ernsthaft krank, musste mal zum Arzt. Dieser Job wurde mir übertragen. Wie peinlich für mich! Ich musste diese Ratte einpacken und irgendwie zum Arzt bringen. Er tat mir schon leid, aber musste ich ihn denn zum Arzt bringen? Ich hatte das Tier vor Jahren mal gekauft, die Pflegerechte hatte ich doch schön abgegeben. So dachte ich! Wie so oft in meinem Leben musste ich mal wieder jemanden zum Arzt begleiten. Früher zum Übersetzen, dieses Mal das hilflose Meerschweinchen! Also saß ich mit diesem kranken Meerschweinchen im Warteraum beim Tierarzt. Vorher noch in der Anmeldung den Namen des Tieres genannt und mit vielen anderen Tierliebhabern zum Warten hingesetzt. Ich kam mir mit meinem Tier so deplatziert vor. Keinem in meiner türkischen Verwandtschaft hätte ich dieses Verhalten erklären können. Einen ausgewachsenen schönen Hund oder Katze, nicht doch so eine kleine Kreatur. Aber eben dieses kleine Wesen hatte das Herz meiner Mutter erobert. Da war nichts zu machen! Liebe kennt aber auch so gar keine Grenzen! 

Endlich wurden wir aufgerufen. Nein, nicht wir, sondern Boncuk! Er war hier der Patient! Als dieser wurde auch Boncuk in den Behandlungsraum gerufen. Ich durfte ihn nur hineintragen! Wenn das Tier nicht wirklich gelitten hätte, ich hätte platzen können vor Lachen! So musste ich mich zusammenreißen und den Patienten ernsthaft auf den Behandlungstisch legen. Er tat mir wirklich leid! Nur ist mir immer wieder klar geworden, wie entwickelt wir in dieser Gesellschaft waren und wie weit weg von den Sorgen, die jemand auf der anderen Seite der Erde hat, in weniger komfortableren Lebensumständen! Da ist das Menschenleben nicht mal so viel wert, wie das unserer Haustiere. Es geht oft nur ums Überleben! Sollte man sich mal vor der Geburt entscheiden müssen, in welcher Form man auf der Erde existieren möchte, als Mensch unter unwürdigen Umständen, wie Hunger, Not, Gewalt, Verfolgung, oder als Hund in Deutschland. Ich würde den Hund nehmen! Hier geht es ihnen gut! Liebe, Nahrung, ärztliche Versorgung ist ihnen sicher! 

Boncuk überlebte den Arztbesuch nur noch um wenige Wochen! War eben für ein Meerschweinchen schon sehr alt! Meine Mutter denkt heute noch mit viel Liebe an dieses Wesen zurück und ist immer noch der Meinung, dass es ein einzigartiges Lebewesen war! Sie hat so recht! Jedes Lebewesen ist doch was Besonderes! Und mir waren noch viele Besuche bei Tierärzten vergönnt. Auch meine Kinder bekamen ihre Vögel, Hamster, Meerschweinchen…..

Könnte das die Lösung, ja unsere Rettung sein?

Könnte das die Lösung, ja unsere Rettung sein? 

Auf dem nach Hauseweg sind wir mal wieder an einem Mast vorbeigefahren, der über Nacht dort hingepflanzt wurde. Für eine Radfahrerin mit leichter Kurzsichtigkeit eine echte Gefahr! Im Dunkeln fast nicht zu sehen. Aber das Schild, dass dieser Mast mit Würde trägt, könnte vielleicht die Lösung für unser gegenwärtiges Problem sein! Es verbietet Dieselfahrern mit ihren Fahrzeugen die Durchfahrt auf einem bestimmten Straßenabschnitt. Heureka! Was ein mittelmäßig intelligentes Rußpartikel aufhalten kann, könnte doch ein Brain unter den Viren erst recht den Weg weisen! Es ist so schlau, es würde haargenau den Anweisungen der Beschilderung folgen können. Ein bisschen Zickzack ist doch kein Ding für Corona. Also wir borgen uns jetzt diese Dieselfahrverbotsschilder aus, kleben Hinweise für Corona drauf und schaffen uns so coronafreie Zonen, in die wir uns alle verziehen können, bis eine Lösung gefunden ist. Alle die Corona hatten, dürfen sich im restlichen Gebiet aufhalten. Verkehrstechnisch gar kein Problem, die meisten sind zu Hause und Dieselfahrer sind jetzt mal solidarisch und überlassen mal Corona die Straßen. Wieso sind wir nicht gleich darauf gekommen? Vergesst mal die Virologen, Immunologen, Epidemiologen! Die Verkehrsplaner und Klimaaktivisten sind die eigentlichen Lösungsfinder! Vielleicht hat der Mensch von der Deutschen Umwelthilfe noch einige Ideen für den Coronaschilderwald! 

Das Virus muss einfach verwirrt werden! Klappt doch bisher beim Dieselrußpartikel auch!

“Wir sind doch alle zu Hause!”

“Wir sind doch alle zu Hause!”

Diese Worte aus dem Munde eines zweieinhalb jährigen, auf die Frage ob er denn heute schon auf dem Spielplatz war. Der süße kleine Fratz hatte schon verinnerlicht, dass man in diesen Zeiten doch nicht draußen sein sollte! Er war ein klein bisschen empört, über so viel Unwissen meinerseits. So viele Wochen habe ich ihn schon nicht gesehen! In vorauseilendem Gehorsam, haben wir den Kontakt zu dem kleinen Kindergartenbesucher abbrechen müssen, es hat sich vielleicht auch zeitlich gefügt. Ach dieser Coronavirus! Nun denn, es bleiben uns nur die Videokonferenzen mit Knetsessions, Erzählreime hören, ausgedruckte Bilder bewundern, über sein Sprachvermögen beeindruckt sein. Er macht anscheinend gerade auch die verbale Kaka- und Pupsphase durch. Zumindest versucht er diese beifällig und übermütig in jeden Satz einzubauen. 

Zwischendurch befürchte ich, dass er uns vergessen könnte! So eine Beziehung lebt doch von echtem Kontakt. In diesem Alter sind doch Monate, wie für uns Jahre. Diese soziale Distanz kann Folgen haben! Sicherlich wird der kleine Mann diese Phase in seinem Leben vergessen, nur viele andere werden gezeichnet sein. Ein kollektives tiefgründiges Ereignis, dass wir nicht vergessen werden. Es wird lebenslang als Mahnmal über unserem Leben hängen! Vielleicht wird es Angst machen, vielleicht zu einem bewussteren Leben führen. Es wird hoffentlich zu weltweiten cleveren Pandemie-Strategien führen, zu nachhaltigen und sinnvoll verteilten Produktionsstätten. So gänzlich von einem Land sich abhängig machen war doch schon sehr leichtsinnig! Wenn wir uns sinnbildlich als Schiff betrachten würden, wären wir schon längst gekentert unwiederbringlich versunken. Liebe Chinesen es geht hier um kein ethnisches, rassistisches Denken. Bin gedanklich so weit weg davon, wie Sonne und Erde! Wir müssen mit und nach Corona anders mit uns und den Ressourcen auf dieser Welt umgehen. So ein kleines Virus hat uns vorgemacht, dass wir gleicher als gleich sind. Es unterscheidet nicht zwischen Hautfarben, reich und alt, schön und hässlich, fleißig und faul, es kann nehmen wen es kriegen kann! 

Also lasst uns über eine Welt nachdenken, in der wir vereint gegen so eine Gefahr angehen können. Bitte lasst diese nationalen Grenzgedanken mal weg! Diese gibt es für solche Viren einfach nicht! Lasst uns medizinische Entwicklungen, wissenschaftliche Erkenntnisse teilen, lasst uns gemeinsam handeln und retten! Ach es klingt jetzt, wie das Wort zum Sonntag! Diese pathetischen Ansprachen sind doch von diesen beseelten Gläubigen besetzt. Bitte entschuldigt, wenn ich in euer Homefield einbreche. Aber Corona du machst mich noch sentimentaler, als ich ohnehin schon bin, du brichst mir das Herz! Und das sind definitiv Ausnahmezustände, in denen solche Gedanken legitim sein sollten. 

Liebe Menschheit gehe mit sinnvollen Erkenntnissen und langfristigen Lösungen aus dieser Krise heraus! 

Von den Deutschen habe ich mehr erwartet!

Von den Deutschen habe ich mehr erwartet!

Diesen Satz höre ich sehr oft in den letzten Tagen und zwar von meiner Mutter! Fast 84 Jahre alt, eine ehemalige Gastarbeiterin für das aufstrebende Deutschland! 1969, das Jahr der amerikanischen Mondlandung und das Jahr der Migration unserer Familie nach Deutschland. In Relation gesetzt für beide eine ähnliche Distanz! 

Berlin, Moabit, Telefunken war ihr Landeplatz! Auf Gesundheit und Körpermaße gecheckt im Gastarbeiterprogramm, dann für gut befunden, um bei Telefunken am Band zu arbeiten. Ein Vorbereitungsfehler war im System enthalten. Alle diese Gastarbeiter sprachen kein Deutsch. Der längere Aufenthalt war nicht vorgesehen. Kurze Stippvisite im Deutschen Kosmos, dann wieder ab nach Hause, wenn nicht mehr gebraucht. Das war eine glatte Fehleinschätzung! Aus wenigen Jahren wurden Jahrzehnte, vier Generationen! Meine liebe Mutter hat für uns alle den Grundstein gelegt. Eine mutige Frau! Hat ihr wirtschaftliches Schicksal in die Hand genommen und einen sehr beherzten Schritt in  ihre, unsere Zukunft gewagt. Viele Jahrzehnte hat sie Made in Germany unterstützt und die Deutschen schätzen gelernt. Sie hat sie sprachlich nie so richtig verstanden, beständig ihre Vorurteile gepflegt. Aber das beruhte ja auf beiderseitigen Unwissen. Lange haben wir die Deutschen nicht verstanden und sie uns Türken nicht. Das hat meine Mutter aber so nie hinterfragt, das war eben so. Wir hatten unsere türkische Community, unsere kleine Parallelwelt. Konnten sonntags im Maxim-Kino, auf der Turmstraße, immer türkische Filme gucken. Unser sonntäglicher Familienausflug. Hatten viele türkische Familien um uns, denn mein Vater kam so etwa vier Jahre später nach und blieb durch seinen Job im türkischen Konsulat immer unter  unseren Leuten. So war unser Kokon perfekt organisiert. Die Welt ins Deutsche Ausland war in der Fabrik und durch uns Kinder erschlossen. Auch wir wurden nach und nach in dieses Deutsche Wirtschaftswunder geholt. Ich als erste und jüngste und hatte somit die besten Startchancen. Dafür bin ich ihr unendlich dankbar! Meine Mutter hat zwar nicht die beste Schulbildung, musste ungefähr in der 10. Klasse abbrechen, um zu heiraten, so waren eben die Zeiten in Anatolien in den 50er Jahren. Ich persönlich kenne nur vier Ausnahmen als Frauen, die in diesen Zeiten studiert, Karriere gemacht und drei davon nie geheiratet haben: Die Tanten meines Vaters. Aber diese verdienen eine eigene Geschichte! 

Meiner Mutter war ein klassischer Bildungsweg nicht möglich, aber sie hatte immer eine sehr gute Handlungsintelligenz. Und diese sagte ihr: „Guck dir die Gesellschaft an und nehme das Beste daraus!“ Sieh sah, dass der beste Weg über die Bildung führte! Und diesen Weg  mussten wir durchschreiten. Bildung war oberste Priorität. Ohne wenn und aber! In einem meiner Schulzeugnisse stand: „Selma schwatzt sehr viel mit ihren Tischnachbarn“ und „ ihr Lesevermögen liegt über dem Durchschnitt.“

Das mit dem Darüber und Durchschnitt hat meine Mutter nicht verstanden! Also musste es schlecht sein und geübt werden. Immer wieder wurde ich ermahnt zu üben, ohne Gnade. Ich habe Szenen im Kopf wo ich einfach über den Büchern eingeschlafen bin. Das Lesen wurde einfach noch besser, aber das Schwatzen blieb kontinuierlich auf meinen Zeugnissen! Dagegen gab es wohl kein Mittel. 

Sie sah für uns keinen anderen Weg als Bildung, um in dieser Gesellschaft mithalten zu können. Ihr tägliches Credo war: „Du willst doch nicht am Band stehen, wie ich!“ Diesen Weg hat sie für mich mit aller Energie verteidigt und geebnet. Ach wäre ich noch Ärztin geworden und nicht Ingenieurin, dann wären ihre Träume in Erfüllung gegangen. Sie hat sich aber mit meinem Weg versöhnt und ist im Großen und Ganzen zufrieden mit meinem Werdegang. Nur mit den Deutschen kommt sie in der aktuellen Krise nicht so klar! Ihr tägliches Fernsehen und die unsäglichen Nachrichten über das Coronavirus aus aller Welt kann sie nicht akzeptieren! Sie versteht einfach nicht, warum diese schlauen und fleißigen Deutschen immer noch kein Mittel gegen das Virus gefunden haben. 

Meine Mutter setzt auf die Wissenschaftler aus Deutschland! Also bitte liebe Forscher gebt euch Mühe und enttäuscht einen eurer größten Fans nicht! Meine Mutter glaubt ganz fest an euch! 

Ich werde dich vermissen!

Liebe Bundeskanzlerin, unsere nationale Mutti! 

bei deiner letzten Ansprache an uns wurde es mir bewusst, dass es immer noch niemanden gibt, der dich ersetzen kann! Was machen wir nur ohne deine stoische Ruhe, die beruhigen und auch immer wieder jeden progressiven Gedanken im Keim ersticken kann. Was machen wir ohne deine extrem rationalen Antworten, frei von nachvollziehbaren Gefühlen. Du streifst die blödesten, aggressivsten Fragen, Vorwürfe, galant, geradezu streifenfrei vom Tisch. Wie machst du das nur? 

Leider gelingt mir so etwas nicht, ich nehme vieles gleich persönlich, mir fehlt die Distanz zu mir selbst. 

Auch wenn ich dich mit den anderen Staatsoberhäuptern vergleiche, hast du so eine unaufgeregte Art: Sachlich, reflektiert, ganz selbstlos, frei von jeder Attitüde, die deine männlichen Kollegen so an sich haben. Gerade jetzt, wo Staatsoberhäupter sich der Corona-Pandemie stellen müssen und groteske Umschreibungen, „ wir sind im Krieg“ nutzen, um den Ernst der Lage zu erklären. Bist du die Ruhe selbst. Du erklärst uns den Ernst der Lage, forderst Einsicht und hast Verständnis für unser Verhalten: „ Vorratshaltung war schon immer gut, aber übertreiben sie es nicht.“ Du machst uns glaubhaft klar, dass es uns an nichts fehlen wird. Bist eben eine Mutti! 

Du strafst nicht offensichtlich, du protegierst und entziehst deine Zuneigung. Ganz schön konsequent und hart können deine Entscheidungen sein. Widersacher überleben nicht lange, werden subtil aus dem Weg geräumt. Sich emporarbeitende Parteimitglieder prallen an dir ab, stolpern über nicht rechtmäßige Titel, werden einfach ausgetrocknet, in unwichtige Randpositionen geschoben, oder blamieren sich mit den zu großen Aufgaben, denen sie nicht gewachsen sind. Niemals stehst du da und sagst: „ Habe ich doch gewusst!“ Du lässt uns selbst erkennen, dass sie scheitern mussten. 

Wie habe ich dich verkannt, dir nichts zugetraut! Was für eine kontinuierliche Performance, über so viele Jahre. Ich muss schon sagen, dein Kleidungsstil ist genauso pragmatisch, wie dein Denken und Handeln. Es hat was sehr effizientes, uniformmäßiges an sich. Gefällt mir! Ich stehe manchmal Ewigkeiten vor dem übervollen Schrank und komme nicht klar: „Mhmmm… soll ich heute mich an den Schuhen, oder dem Schmuck orientieren, oder vielleicht doch erst die Kleidung, dann die passenden Accessoires.“ Ach es dauert eine Ewigkeit! Wenn ich Mann wäre, ich hätte mich schon längst samt Klamotten vor die Tür gesetzt. Ist nicht zum Aushalten, bin eine Zumutung.

Ich liebe Uniformen! Sie können das Leben so leicht und entscheidungsfrei machen. Nur darf die Figur nicht die Uniform deformieren, ab da wird es zum Problem! 

Mutti, du hast dich frei gemacht von allen Trendstilen. Hast eine eigene Uniform, eine eigene uniforme Gestik, Sprache. Du erfindest dich nicht jeden Morgen neu, sondern du bist einfach! Was machen wir nur, wenn einer der gewöhnlichen Lackaffen dich ersetzt. Einer der Morgens mehr Zeit vor dem Spiegel verbringt, aus reiner Selbstliebe, nicht weil er sich für die Nation schön macht! 

Was wäre aus dir geworden, wenn du nicht in die Politik,nicht der DDR sozialisiert worden wärst? 

Mir fällt nur ein selbstloser Beruf, eine Berufung ein, die dein konsequenter Charakter ausgefüllt hätte: Nonne!

Auch in diesem Beruf hättest du Karriere gemacht! Ganz schleichend hättest du irgendwann die Christen regiert, ohne viel Aufhebens! Es wäre einfach eine logische Konsequenz deines Daseins gewesen! 

Liebe Grüße 

Deine Mitbürgerin